Die Beziehungen zwischen Khomeini und Khamenei
Ayatollah Khamenei nahestehende Stellen haben versucht, ihn als engsten Vertrauten Ayatollah Khomeinis in seinen letzten Lebensjahren zu zeichnen. Demgegenüber sagen alle Zeugen und überlieferten Schilderungen, dass Akbar Hashemi Rafsanjani Khomeini am nächsten stand. Bei den Positionen, die Khamenei von Khomeini verliehen wurden, seien dagegen Dritte vermittelnd im Spiel gewesen.
Mindestens zweimal hat Ayatollah Khomeini zudem in aller Deutlichkeit Khameneis Bedeutung auf dem politischen Sektor heruntergespielt.
Obwohl Ali Khamenei nahestehende Stellen versucht haben, ihn als engsten Vertrauten Ruhollah Khomeinis, des Gründers der Islamischen Republik zu zeichnen, hat dieser sich über ihn nicht lobender geäußert als über seine anderen Schüler. So äußerte er im Sommer 1982 vor dem Generalsekretär und den Mitgliedern des Zentralkomitees der Partei der Islamischen Republik: „Ich kannte diejenigen, die diese Partei gegründet haben. Ich habe Herrn Khamenei erzogen. Ich habe Herrn Hashemi erzogen. Und ich habe Herrn Beheshti erzogen.“
Vielen Schülern Ayatollah Khomeinis zufolge bildeten vor der Revolution von 1979 Akbar Hashemi Rafsanjani, Morteza Motahari und Mohammad Hossein Beheshti den inneren Zirkel seiner Schüler. Zu den prominentesten islamischen Kämpfern gegen das Schahregime gehörten jedoch Ayatollah Hossein Ali Montazeri und Ayatollah Mahmoud Taleqani, die im Vergleich zu den anderen einen höheren Rang einnahmen.
Ayatollah Khamenei war nicht unter den ersten Mitgliedern des Revolutionsrates, der von Ayatollah Khomeini im französischen Exil eingesetzt wurde. Ayatollah Montazeri berichtete, auf der Fahrt nach Paris habe er Ayatollah Khomeini vorgeschlagen, Khamenei auch in diesen Rat einzubeziehen. Ayatollah Khomeini soll geantwortet haben, Khamenei befinde sich in Mashad. Er habe daraufhin erwidert, auch wenn Khamenei derzeit in Mashad sei, könne er ja von dort nach Teheran kommen.
Ayatollah Montazeri sagte auch, nachdem er beschlossen habe, sich in Qom niederzulassen, habe er Khamenei als seinen Nachfolger im Amt des Freitagsimams von Teheran vorgeschlagen.
In seiner zweiten Amtszeit als Präsident (1985-1989) musste Khamenei auf Befehl Khomeinis und gegen seinen eigenen Willen Mir Hossein Mousavi ein zweites Mal zum Premierminister berufen.
Zweimal würdigte Ayatollah Khomeini Khamenei auf dem politischen Sektor öffentlich herab. Bezüglich des „Arbeitsgesetzes“ stand Khamenei auf der Seite des linken islamischen Flügels. In einer Freitagspredigt in Teheran am 1. Januar 1988 über die Auseinandersetzungen um das Arbeitsgesetz sagte er: „Wenn der Imam gesagt hat, der Staat könne dem Arbeitnehmer jedwede Bedingung auferlegen, dann heißt das nicht jedwede Bedingung, sondern nur diejenige, die im Rahmen der im Islam anerkannten Gesetze bleibt und nicht darüber hinausgeht.“
In einem Brief vom 6. Januar wies Khomeini Ali Khamenei zurecht, die von ihm aufgestellten Behauptungen würden dem zuwiderlaufen, was er, Khomeini, gesagt habe. Er schrieb: „Aus Euren Äußerungen beim Freitagsgebet geht hervor, dass Ihr die Regierung, die im Sinne der absoluten Statthalterschaft von Gott dem verehrungswürdigen Propheten – Gott segne ihn und seine Familie, Friede über ihn – übergeben wurde und die Vorrang gegenüber allen anderen Scharia-Gesetzen hat, nicht für richtig erachtet. Die Auslegung dessen, was ich gesagt habe in der Weise, dass die Regierung dem Rahmen der zweitrangigen Gesetze unterliegt, läuft meinen Äußerungen vollkommen zuwider. Wenn die Regierung dem Rahmen der zweitrangigen Gesetze unterliegt, wäre folglich die göttliche Herrschaft und absolute Stellvertreterschaft des Propheten – Gott segne ihn und seine Familie, Friede über ihn – bedeutungslos und inhaltsleer.“
Nachdem Khamenei einen Rückzieher gemacht und Hashemi Rafsanjani sich vermittelnd eingeschaltet hatte, schrieb Khomeini einen weiteren Brief an den Präsidenten und bezeichnete ihn darin als vertraut mit dem islamischen Recht und ihm ergeben.
Weiterhin schrieb er: „Unter den Freunden und Bekennern des Islams und der islamischen Prinzipien gehört Ihr zu den wenigen, die wie eine Sonne leuchten.“
Die Salman Rushdie Affäre
Ein anderes Thema, auf das Ayatollah Khomeini reagierte, waren Khameneis Äußerungen über die mögliche Rücknahme der Fatwa zur Tötung Salman Rushdies.
Drei Tage nach Verkündigung der Fatwa, in der Khomeini die Muslime zur Tötung Salman Rushdies wegen der Veröffentlichung seines Romans „Die satanischen Verse“ aufforderte, sagte Khamenei in seiner Freitagspredigt: „Dieses revolutionäre Todesurteil gegen ihn wird zweifelsohne vollstreckt werden, wenngleich es möglich ist, dass er bereut und die Muslime und den Imam um Vergebung bittet und sein Buch verurteilt, so dass die Menschen ihm vergeben.“
Einen Tag später, am 14. Februar 1989, wies Ayatollah Khomeini die Möglichkeit, dass das Todesurteil gegen Salman Rushdie im Falle seiner Reue aufgehoben werden könnte, vehement zurück. Über sein Büro ließ er mitteilen: „Selbst wenn Salman bereuen und der gottesfürchtigste Mensch seiner Zeit werden sollte, so ist es dennoch jedem Muslim geboten, sich mit ganzer Kraft und ganzem Vermögen dafür einzusetzen, dass er zur Hölle fährt.“
Auch hier musste Khamenei einen Rückzieher machen. Am 8. April 1989 sagte er: „Das Urteil des Imams über diesen Schriftsteller ist ein unveränderliches Scharia-Urteil. Daher ist er bedingungslos zum Tode verurteilt, weil er die Heiligtümer von über einer Milliarde Muslime weltweit verächtlich gemacht hat.“
Zahlreichen Berichten zufolge hatte Ayatollah Khomeini nach der Absetzung Ayatollah Montazeris für die Führerschaft nicht nur Khamenei im Auge, sondern auch Hashemi Rafsanjani und Mousavi Ardebili. Am meisten habe er zu Hashemi Rafsanjani tendiert.
Ayatollah Mohammad Reza Tavassoli vom Büro Ayatollah Khomeinis berichtete, dieser habe einige Tage vor seinem Tod von Hashemi verlangt, sich auf seine Nachfolge vorzubereiten, Hashemi aber habe sich widersetzt.
Einigen Analysten zufolge hegte Hashemi Rafsanjani die Vorstellung, er könne, wie unter der Führerschaft Khomeinis, das Land lenken, ohne den Rang des Obersten Führers einzunehmen. Er habe daher die Sitzung der Expertenversammlung so geleitet, dass Khamenei zum Obersten Führer gewählt wurde und er selbst ihm als Präsident nachfolgte.